Johannes Ferdinand KULLIGK wurde am 12. Oktober 1897 als Sohn des Schlossers Franz KULLIGK und dessen Ehefrau in Emden geboren. Im Jahr 1914 lebte er im elterlichen Haus, im Fillkuhlweg 4, in Wolthusen. Johannes erlernte, wie sein Vater, den Beruf des Schlossers.
Bei Kriegsbeginn gelingt es ihm trotz seines Alters – zu diesem Zeitpunkt ist er noch nicht ganz 17 Jahre – als Freiwilliger beim Füsilier-Regiment Prinz Heinrich von Preußen (Brandenburgisches) Nr. 35 angenommen zu werden. Die Garnisonstadt dieses Regiments ist Brandeburg an der Havel, 60 Kilometer westlich von Berlin gelegen. Hier erhält er beim 1. Rekruten-Depot der Einheit bis ca. Mitte Dezember 1914 seine militärische Ausbildung als Infanterist. Bis zu seinem Tod schreibt Johannes KULLIGK regelmäßig Feldpostkarten an seinen Jugendfreund Friedrich Rauch, von denen heute noch ein Dutzend erhalten sind. Friedrich Rauch wohnt im Jahr 1914 in Emden, Neuestraße 12.
Die erste überlieferte Postkarte mit dem nebenstehenden Foto schreibt er fünf Tage nach seinem 17. Geburtstag, am 17. Oktober 1914, aus Brandenburg. Der Text lautet: „Lieber Friedrich! Ich habe deinen Brief und Paket erhalten, wofür ich noch meinen Dank ausspreche. Ich wollte nicht eher schreiben bis die Bilder fertig waren. Nun schicke ich dir meine Photographie zum Andenken. Hebe es gut auf, denn wir sehen uns nach meiner Überzeugung nicht wieder. Grüße deine Mutter und Schwester nebst Bruder und ich danke ihnen auch vielmals und werde ihrer stets gedenken. Dein Hans.“
Anfang Dezember folgen zwei weitere Nachrichten aus Brandenburg. Johannes schreibt, er habe den Garnisondienst satt und hoffe, er werde bald ins Feld kommen. Vorher sei aber zu Weihnachten oder Neujahr noch ein Urlaub möglich. Ob es tatsächlich dazu kommt, ist nicht überliefert. Gleich nach Neujahr schreibt er eine Karte, datiert mit „Schützengraben, 7. Januar 1915“. Er ist nun Angehöriger der 4. Kompanie des Füsilier-Regiments Nr. 35. Das Regiment kämpft zu diesem Zeitpunkt im Verband der 6. Infanterie-Division in der Schlacht bei Soissons. Zu Ostern 1915 folgt eine weitere Nachricht, in der er sich etwas darüber beklagt, lange nichts von seinem Freund Friedrich gehört zu haben.
Im Oktober 1915 wurde Johannes KULLIGK von seinem Regiment als vermisst gemeldet. Laut der Verlustliste vom 11. November 1915 wurde er wiederum als „leicht verwundet“ angezeigt. Die amtlichen Verlustlisten erschienen in der Regel drei bis sechs Wochen nach Eintreten des Ereignisses. Die 6. Infanterie-Division nahm seit dem 21. September 1915 an den Kämpfen in Serbien teil. Es ist daher anzunehmen, dass er Ende September – Anfang Oktober in Serbien vermisst und verwundet wurde. Ob diese beiden zeitnahen Begebenheiten in einem direkten Zusammenhang stehen, ist allerdings nicht sicher. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass Johannes Kulligk seine Verwundung auskuriert und anschließend zum Füsilier-Regiment Nr. 35 zurückkehrt.
Am 13. Januar 1916 schreibt er, inzwischen zum Gefreiten befördert, aus Frankreich: „Lieber Freund! Habe heute deine Karte erhalten und mich sehr über den Gruß gefreut. Bin noch gut auf dem Damm. Was macht denn Emden? Hast du noch so viel zu tun? Hoffentlich wird es bald Frieden. Wir liegen noch im Schützengraben […] Nun sei herzlich gegrüßt von deinem Freund Hans.“
Das Füsilier-Regiment Nr. 35 nimmt zu diesem Zeitpunkt an den Kämpfen an der Aisne teil.
Die nächste erhaltene Karte schickt Johannes am 30. August 1916. Er ist nun einem anderen Regiment zugeteilt und schreibt dazu: „Mein lieber Freund! Muß dir lieber Friedrich mitteilen, daß ich schon wieder an der Front bin. Am 21. des Monats rückten wir von Brandenburg aus und kamen am 23. in Frankreich (Champagne) an. Hier wurden wir dem Grenadier-Regiment Nr. 12 zugeteilt. Am selben Abend kamen wir schon im Schützengraben zur 10. Kompanie. Am liebsten wäre ich ja zu meinem alten Regiment gegangen. Hier ist alles anders, andere Leute und andere Vorgesetzte. Die kennt man gar nicht und muß man erst alle kennenlernen. Bin selbst noch gut zuweg. Augenblicklich hocke ich in einem bombensicheren Unterstand. Heute hat der Franzose feste Hurra geschriehen und ein Schild rausgesteckt, wo drauf stand, daß Rumänien uns den Krieg erklärt hat. Der wird auch wohl die Jacke vollkriegen. Sei herzlich gegrüßt von deinem lieben Freund und Kamerad Hans. Leb wohl auf Wiedersehen.“
Ende Oktober 1916 wird Johannes bei Verdun durch einen Unfall leicht an der rechten Hand verletzt. Er gehört nun der 1. Kompanie des in der Karte vom August erwähnten Grenadier-Regiments Prinz Carl von Preußen (2. Brandenburgisches) Nr. 12 an. Am 8. November 1916 schickt er ein Foto aus dem Reservelazarett in Forbach (Lothringen). Auf dem Bild sieht man den nun 18 Jahre alten Gefreiten links sitzend mit einer Armschlinge. Johannes KULLIGK im reservelazarett in Forbach.
Zum Jahreswechsel 1916/1917 ist Johannes verlegt und er befindet sich zur weiteren Behandlung seiner Handverletzung im Reservelazarett 1 in Frankfurt an der Oder. Dieser Winter 1916/17 wird, eingedenk der in Deutschland herrschenden Hungersnot, als „Kohlrüben- oder auch Steckrübenwinter“ in die Geschichte eingehen. Aus Frankfurt schreibt er am 4. Januar 1917: „Hier ist nicht viel los, blos man kann hier tüchtig Kohldampf schieben. Das ist die einzige Abwechslung, die man hier hat.“ Links im Bild, Friedrich Rauch aus Emden.
Links im Bild, Friedrich Rauch aus Emden.
Die letzte Feldpostkarte von Johannes KULLIGK, die fast 100 Jahre überdauert hat, stammt vom 11. August 1917. Nach seiner gesundheitlichen Wiederherstellung ist Johannes im Laufe des Frühjahres 1917 schließlich erneut bei der 4. Kompanie des Füsilier-Regiments Nr. 35 gelandet, mit der er knapp drei Jahre zuvor erstmals an die Front fuhr. Er schreibt an Friedrich Rauch: „Mein lieber Freund! Habe eure schöne Karte vom 6. des Monats erhalten und mich sehr darüber gefreut. Wie ich gesehen habe, ist ja auch H. dort auf Urlaub gewesen, na da wird sich Friederieke wohl gefreut haben. Ihr seid wohl im Cafe „Jipp Japp“ gewesen, wenigstens der Karte nach zu urteilen. Sag mal was ist denn das für ein Fräulein Hedwig Heldiek? Ist das etwa deine Flamme? Grüße sie bitte doch einmal wieder und ich danke vielmals für den mitgesandten Gruß. Und H. kannste auch mal wieder grüßen und sage ihm zu seiner Hochzeit habe ich dabei zu sein. Nun aber will ich schließen und sei herzlich gegrüßt von deinem Freund Hans.“
Das Regiment gehört inzwischen zur 228. Infanterie-Division und nimmt seit Mitte April 1917 an den Stellungskämpfen vor Verdun teil. Nach den schweren Schlachten des Jahres 1916 haben sich die Kriegsparteien längst auf andere Frontabschnitte konzentriert. Dennoch wird auch vor Verdun weiter gekämpft. Vom 12. August bis 9. Oktober 1917 beginnen französische Truppen eine weitere Offensive. Sie wird später von den Deutschen offiziell als „Abwehrschlacht bei Verdun“ bezeichnet werden.
Bei Senon, etwa 22 Kilometer nordöstlich von Verdun, wird Johannes KULLIGK am 28. August 1917 im Alter von nur 19 Jahren durch ein Artilleriegeschoss getötet. Er hat heute kein bekanntes Grab.